Die Pinguinale 2006 war eine außergewöhnliche Kunst- und Marketingaktion des Grünen Zoos Wuppertal, die das Stadtbild von Wuppertal veränderte und den Wuppertaler Zoo in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. Vom 1. April bis 19. August 2006 wurden 200 überlebensgroße Kunststoffpinguine im gesamten Stadtgebiet von Wuppertal aufgestellt. Diese Pinguine wurden von 175 Sponsoren, den sogenannten „Pinguinisten“, erworben und individuell gestaltet.
Der Höhepunkt dieses einzigartigen Projekts war die große Parade am 19. August 2006, bei der fast 50.000 Menschen die Pinguine mit der berühmten Schwebebahn in den Wuppertaler Zoo begleiteten. Dort standen die Pinguine noch acht Wochen lang als Teil einer Ausstellung.
Nach Abschluss der Ausstellung erhielten die „Pinguinisten“ ihre Pinguine zurück. Viele der Pinguine bereichern heute noch das Stadtbild von Wuppertal. Der Wuppertaler Zoo und der Zoo-Verein erhielten für ihr Engagement sogar den Stadtmarketingpreis 2006 – eine Auszeichnung, die den Erfolg und die Bedeutung dieses Projekts unterstreicht.
Ein Blick auf die Beteiligung der JVA Wuppertal-Vohwinkel
Ein ganz besonderes Kapitel der Pinguinale 2006 war die Beteiligung von vier jungen Menschen im Alter von 15 bis 20 Jahren, die während ihres Haftaufenthalts in der JVA Wuppertal-Vohwinkel ihre eigene Pinguin-Skulptur gestalteten. Diese Gruppe von Jugendlichen hatte die Aufgabe, ihre momentane Lebenssituation in Haft durch den Pinguin auszudrücken. Hierbei ging es nicht nur um die kreative Gestaltung, sondern auch um den persönlichen Austausch und das Teilen von Erfahrungen.
„Vier junge Menschen, die sich in ihrer Haftzeit offen über ihr Leben und ihre Gefühle austauschten – etwas, das im System „Gefängnis“ nicht selbstverständlich ist“, so der Begleittext aus dem Buch zur Pinguinale 2006. In einer Woche intensiver Gruppenarbeit wurde gemischt, gemalt und gestaltet. Es entstand ein engeres Zusammengehörigkeitsgefühl und gegenseitiger Respekt. Jeder Jugendliche brachte sich mit seinen Fähigkeiten ein und war für das Gelingen des Projekts verantwortlich.
Die Begegnung und Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe, sowie die Möglichkeit, ihre innersten Gedanken und Gefühle in Form eines Kunstwerks auszudrücken, war für diese jungen Menschen ein besonders wertvoller Moment. Sie erfuhren, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und die Bedeutung von Gemeinschaft und Zusammenarbeit.
Der Pinguin als Symbol der Auseinandersetzung mit der eigenen Situation
Was mit den Pinguinen nach der Pinguinale geschah, war ebenfalls von Bedeutung. Ein besonders bemerkenswerter Moment war die Entscheidung, dass Herr Simon S. Höfchen seine Freiheitsstrafe im Anschluss an die Pinguinale in der JVA Wuppertal antreten würde. Lange Zeit zierte der Pinguin der JVA-Wuppertal-Vohwinkel, welcher auf den Namen "Simon S. Höfchen" getauft wurde, die Wendeinsel vor dem Eingang zur Justizvollzugsanstalt.
Simon S. Höfchen – ein Name, der aus Datenschutzgründen geändert wurde – reflektiert in seinem Text über seine Haft und das Gefühl, als „Pinguin“ in einem System eingesperrt zu sein. Der Pinguin, als Symbol für den Zwang und die Begrenzungen des Gefängnislebens, wird von ihm als eine Metapher für seine eigene Lebenssituation genutzt.
"Mein Name ist Simon S. Höfchen
… der Name wurde natürlich geändert. Ich habe eigentlich viele Namen. Nun gut, nennen Sie mich ruhig beim Vornamen.
Wo ich lebe? Am liebsten in Freiheit. Doch das geht im Augenblick nicht. Gestern, da war noch alles in Ordnung, dann von einer Minute zur anderen war nichts mehr so, wie es war. Ja, ich bedauere es sehr, und wenn ich könnte, dann würde ich alles rückgängig machen. Aber auch das geht nicht. Und dann bleibt auch noch offen, wo ich anfangen müsste, die Lebensgeschichte rückgängig zu machen?
Nun bin ich eingesperrt. Im Namen des Volkes! Ich bin doch ein Pinguin. Eingesperrt, damit das Volk was zu gucken hat. Ein Zaun als Grenze zwischen Ihnen und mir. Ich würde gerne neu anfangen und Ihnen als Erstes meine Hand reichen. Wenn ich mich genau umsehe, dann ist nach hinten der Weg noch offen. Nicht zur Flucht, nicht zum Weglaufen, sondern zur Umkehr oder für Sie: zum Reinkommen…
Schauen Sie genau hin…
Es gibt an mir viel zu entdecken. Jeder Königspinguin hat seine besondere Struktur im Gefieder. Seinen genetischen Fingerabdruck! Sie können mich erkennen: einer unter vielen und doch etwas ganz Besonderes. Ich bin kein Kind mehr, denn der Flausch ist dem Glanz gewichen. Ich habe mich gepflegt. Wollte mit meiner Schönheit auffallen. Es ist mir doch gelungen, oder?! Doch irgendwie gehörte ich nicht dazu. Woran lag es? Da waren nur dieselben Pinguine um mich herum. Immer dieselben, und da kam ich nicht raus. So ist das, wenn man für sich feststellt: Es ist ein Zoo und nicht die Antarktis. Das ist eine schwere Erkenntnis: Wo du reingeboren wirst, das prägt und zeichnet dein Leben."
Die Pinguinale 2006 war nicht nur ein Kunstprojekt, sondern auch ein gesellschaftliches Experiment, das den Dialog und die Auseinandersetzung mit persönlichen und gesellschaftlichen Themen anregte. Für die JVA Wuppertal-Vohwinkel war es eine Gelegenheit, durch Kunst und Kreativität den Inhaftierten eine Stimme zu geben und ihnen einen Weg zur Reflexion und zum Austausch zu bieten.
Es bleibt zu hoffen, dass Projekte wie die Pinguinale weiterhin eine Brücke zwischen Gefängnis und Gesellschaft schlagen und den Weg zu einem besseren Verständnis von Resozialisierung und Gemeinschaft ebnen.
